Alain Berset und das Fondue fribourgoise

Ich habe keine Ahnung, wie Bundesrat Alain Berset sein Fondue zubereitet. Dafür kenne ich ihn viel zu wenig. Überhaupt, an welchem Punkt darf man sagen, dass man einen Bundesrat kennt? Abgesehen davon, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, einen Politiker überhaupt zu kennen, so ist es schon schwierig genug, seine Nächsten zu durchschauen. Nun, ich hatte bloss einmal die Gelegenheit, ein längeres Gespräch mit dem damaligen Ständerat Berset zu führen. Lange genug, um mir ein Bild von ihm zu machen. Es ist ja bekannt, dass die ersten Sekunden einer Begegnung entscheidend sind für die ersten und weiteren Eindrücke. Der Grund meines Gespräches mit ihm war ein Auftrag, nämlich ihn für ein Expertengremium zu gewinnen. Voraus ging eine kurze Analyse zur Person Berset. Allzuviel wussten wir nicht. Doch wir waren uns einig, dass Ständerat Berset mit Sicherheit bald Bundesrat würde. Das wäre für unser Vorhaben dienlich. So dachten wir. Etwa ein Jahr nach meiner Anfrage war es soweit.
Früher, als die Zeiten auch nicht besser waren, galt es als ungeschickt, seine Ambitionen für das bestbezahlte Amt unseres Landes öffentlich zu machen. Offen zur Schau getragener Ehrgeiz, Zielstrebigkeit, Machthunger und andere ähnlich gelagerte Eigenschaften, waren nicht die Voraussetzungen, an die man bei einem Schweizerischen Bundesrat denkt. Es gibt aus jüngster Zeit Beispiele, Namen mag ich keine nennen, die diese Beobachtung untermauern. Bundesrat Berset gehört nicht dazu. Seine politische Laufbahn zeugt von stupender Zielstrebigkeit. Damit und seinem allgemeinen Auftreten - eleganter Anzug, Dreiteiler mit Clubkravatte, nie ein Bürgerschreck- markiert Alain Berset für mich das Ende des klassischen Sozialdemokraten. Vielleicht auch das Ende der klassischen Schweizer Sozialdemokratie. Dazu trug auch sein politischer Weggefährte Christian Levrat bei, der parallel zur Karriere Berset die SPS zur Kaderpartei umfunktionierte, deren Basis er dramatisch weg brechen liess und als Folge davon der tiefste Wähleranteil er 2019 einfuhr. Unter einer wirklich linken Sozialdemokratie wäre eine Bundesrätin Sommeruga auch nicht möglich gewesen. Sie belegt die steile These.

Der Schweiz kann in dieser hochdramatischen Zeit der Corona-Pandemie nichts besseres passieren als ein Gesundheitsminister eines Schlages wie Alain Berset. Keinem anderen Mitglied dieses Gremiums traue ich mehr zu, unser Land aus dem herrschenden Desaster zu führen als ihm. Keiner und keine ausser ihm ist im Stande, aus dem reichhaltigen Käseangebot des Kantons Fribourg ein köstlicheres Fondue zu zaubern. Es steht symbolisch für die Diversität, ja der Zerrissenheit der Schweiz dieser Tage. Es stossen sich unvereinbare Eigeninteressen - die absolute Steigerung von Eigenverantwortung - derart ab, dass wir Bürgerinnen nur noch die Augen reiben können und uns fragen müssen, wo das noch enden wird? Ich bin sicher, Bundesrat Berset kennt die Antwort. Nur schade, liess er Daniel Koch ziehen. In den ersten Woche der Pandemie bildeten die beiden das ideale dialektische Gespann. Leider wurde dann Daniel Koch eine Spur zu populär, drang zu sehr in die Herzen der Schweizer*innen ein. Das, so meine Einschätzung, gefiel Monsieur Berset nicht. Lieber würde er der Landesvater sein, so wie das alle legendären Bundesräte waren. Nur, die Landesvater-Rolle passt nicht zu Berset. Sein Charisma gereicht jedem General zur Ehre. Und das ist es, was wir jetzt in der grossen Zerstrittenheit brauchen, einen zivilen General, der den Weg aus der Pandemie weist. Einen, mit einer unmissverständlichen Kommunikation und einer klaren Argumentation keine Zweifel mehr übrig lässt. Einer der unumstösslich festhält, dass wir kein weiteres Sterben mehr dulden. Wir brauchen einen, der all jene in die Schranken weisst, die arglistig davon labbern, dass nicht alle zu retten sind.

P.S. Ich bin ein Demokrat und ich glaube an die Kraft des Kollektivs. Im idealen Kollektiv gibt es eine rotierende Rollenzuteilung. Auch die Führungsrolle ist nicht in Stein gemeisselt. In der Regel interpretiert der/die Inhaber*in die Führungsrolle zurückhaltend. Das Kollektiv weiss, wann Zurückhaltung aufgegeben werden und Klarheit, Transparenz und unmissverständliche Kommunikation dominant werden muss. So etwa sehe ich das.

Fondue fribourgoise

In Mangel an intimen Kenntnissen der Gewohnheiten in der Familienküche Berset erlaube ich mir, hier mein Rezept des Fondue fribourgoise zu veröffentlichen. Es geschieht ganz und gar nicht, weil ich mich den Friburgern anbiedern möchte, sondern weil ich mich über die Jahre an dieses Rezept herangetastet habe. Es war Usanz im Solothurnischen für das Fondue den grässlichen Emmentaler zu verkochen. Mit dem jeweiligen Risiko einer Gummifäden-Familientragödie. Es dauerte eine Weile, bis man entdeckte, dass halb Emmentaler, halb Greyerzer die besseren Ergebnisse ergaben. Als es dann an mir war Fondues zu produzieren, wurde es Mode, den Emmentaler mit Vacherin fribourgoise zu ersetzen. Um ehrlich zu sein, ich lernte das bei einer Freundin in Morges. Das war ein gewaltiger Entwicklungssprung. In beiderlei Hinsicht. Ich habe mich dann in vielfältiger Weise weiter entwickelt. Auch in Sachen Fondue. Eine kleine Warnung muss ich mit auf den Weg geben. Meine Art der Käsemischung wird etwas salzig. Das muss man mögen. Also bitte keine weitere Salzzugabe, ausser sie beabsichtigen nach der Verspeisung weiter zu trinken. Bleiben Sie beim kräftigen Schwarztee (Z.B. Assam), wird es kaum Folgen haben. Wählen Sie Weisswein, warne ich Sie mit einem Zitat von Friedrich Dürrenmatt: „(...) Nun hatte ich zufällig gerade Geburtstag und hatte mein erstes Fondue gegessen und dazu Weisswein und Schnaps gesoffen. Das kam mir im Schlaf plötzlich hoch wie eine Fontäne, und da sass ich nun in einem verkotzten Zimmer, die übrige Welt war voller Leichen, aber ich hatte dem nichts entgegenzuhalten als mein Gekotze.(...).“

Die Zutaten für vier Personen:

- 320 gr Reifer Greyerzer AOC
- 300 gr Vacherin fribourgoise Slow Food
- 100 gr Reifer L’Étivaz
- 80 gr Halbharter Fribourger Bergrahmkäse
- 3 Knoblauchzehen, geschält
- 3 dl Trockener Weisswein
- 10 cl Kirsch, Marc oder Whiskey (Wirklich Geschmacksache, manche versuchten es auch mit Gin oder statt Weisswein mit Bier)
- 3 TL Maizena
- Schwarzer Pfeffer aus der Mühle
- Eine Prise wirklich scharfer Chili
- 2- 3 frische Baguette, je nach Grösse

Schritt 1

Tisch decken, Rechaud vorbereiten, Brennpaste nachfüllen und anzünden (ergibt regelmässige Flamme)
Mitessende informieren, dass das Fondue zubereitet wird. Es gilt: Essende warten auf das Fondue und das Fondue nicht auf die Essenden!
2 Baguette in mundgerechte Stücke schneiden, das dritte in Reserve halten.
Tee zubereiten

Schritt 2

Greyerzer und Étivaz raffeln. Vacherin und Rahmbergkäse würfeln.

Schritt 3

Fondue Caquelon auswaschen, trockenreiben und mit den geschälten und geschnittenen Knoblauchzehen ausreiben.
Weisswein eingiessen und bis zum Simmerpunkt aufwärmen, nicht kochen.

Schritt 4 

Geraffelten Käse nach und nach zum Weisswein beifügen, dabei mit der Fonduegabel immer eine schöne 8 drehen bis der Käse aufgelöst ist. Nie kochen!

Schritt 5

Die Käsewürfel nach und nach beigeben und anschmelzen lassen. Derweil den Maizena im Schnaps auflösen und dem Käse beirühren. Die 8 nie vergessen!

Schritt 6

Pfeffern und würzen und sofort auf das Rechaud stellen. Jetzt wird die gerührte 8 von der Tafelrunde übernommen. Und der Koch darf die Schweissperlen abwischen, bevor er/sie sich dazu setzt.

Gemütlich werden die Brotstücke im Fondue eine 8 drehend eingetaucht und gegessen. Es sollte auch bis auf den Grund gerührt werden, damit sich der Käse nicht zu früh am Boden absetzt und dort dann anbrennt. Sonst kann die entstandene Kruste ungeniessbar werden. Dies wäre schade, denn wirkliche Käseliebhaber verzichten darauf sehr ungern. Damit dies nicht geschieht, das Fondue auch sonst keinen Schaden nimmt, bevor es gegessen ist, darf es nie kochen. Es muss immer nur so warm sein, dass ein leichter Dunst die Nasen der Essenden verwöhnt und dem Esszimmer den gemütlichen und typischen Raumduft verleiht. Bevor man sich dann zur Ruhe bettet, sollte der Raum kräftig gelüftet werden, damit am nächsten Morgen bloss noch eine leichte Duftnote an das harmonische Abendessen erinnert.




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